Google+ ist keine Geisterstadt mehr – eine Momentaufnahme

Philipp SteuerBlog, Google6 Comments

Es ist ein bisschen Zeit ins Land gegangen, nachdem zu Jahresbeginn zahlreiche Nachrichtenseiten das baldige Ende von Google+ prophezeiten. Auch im deutschen Raum fiel oftmals sehr leichtfertig das Wort „Geisterstadt“, obwohl sich die „Experten & Wirtschaftsjournalisten“ dahinter offensichtlich selbst sehr wenig mit dem Netzwerk beschäftigt hatten. Mittlerweile ist Google+ selbst über ein Jahr alt und die Geisterjäger sind – zumindest medial – seltener geworden.

Das freut mich sehr, denn ich empfinde Google+ als nettes und wachsendes soziales Netzwerk. Gut, machen wir uns nichts vor: Es wird noch eine Weile dauern, bis es für die breite Masse interessant wird, vor allem in Deutschland. Aktuell nutzen rund 2,1 Millionen Deutsche (das macht 4 Prozent der Gesamtbevölkerung) Google+, wenn man der Studie von GlobalWebIndex glauben darf. Doch das Interesse in meinem Umfeld am googlischen Netzwerk steigt, auch auf Vorträgen und in Diskussionen sind die Menschen bzw. User stärker interessiert, als es beispielsweise noch im November der Fall war.

Ich setze auf das Pferd

„Es wird sich dennoch nicht durchsetzen!“ höre ich oft im Bekanntenkreis. Mit „Durchsetzen“ meint ein Großteil, dass Hinz & Kuntz ebenfalls auf Google+ aktiv sein müssten, damit das Ganze einen Sinn machen würde. Kaiser Wilhelm II. sagte einst „Das Auto hat keine Zukunft. Ich setze auf das Pferd“. Viele teilten damals ebenfalls diese Auffassung. Das sie alle falsch damit lagen dürften dem Leser mit einem Blick auf die Straße sicher aufgefallen sein. Ich sehe das ähnlich: Vielleicht liegt die Stärke von Google+ eben genau darin, dass die ehemaligen Schulkameraden – die man zwar nicht ausstehen kann und dennoch als Freunde bei Facebook gelistet hat – eben nicht „hier“ vertreten sind? Ich empfinde das als Vorteil, denn eben genau diese Personen interessieren sich auch auf Facebook nicht für mein Leben.

Wenn ich gefragt werde, warum ich Google+ nutze, dann antworte ich immer: „Wegen der Diskussionskultur!“. Kein anderes soziales Netzwerke bietet ähnliche lange, gut argumentierte Diskussionen wie Google+. Vor allem im Bereich Technik und Politik gibt es schier endlos lang wirkende Kommentarthreads, in denen die aktuellen Geschehnisse analysiert, diskutiert und vertieft werden. Vor allem die Möglichkeit, eigene Texten ansprechend formatieren zu können, begünstigt diese Entwicklung.

Einzeiler sind Einbahnstraßen

Hierzulande wird jedoch genau das falsch verstanden. Es bringt überhaupt nichts, einen Einzeiler samt verkürzten Link zu posten. Das mag auf Twitter funktionieren, aber eben nicht auf Google+. Hier zahlt es sich aus, wer seinen Link mit einem kleinen Teasertext samt Überschrift versieht, so dass der Leser vor dem Verlassen des Netzwerkes bereits einen Ahnung davon bekommt, was ihn auf der externen Seite inhaltlich erwartet. Und wenn man einen Beitrag postet, dann aber in den Kommentaren durch Abwesenheit glänzt, der wird auch keine großen Interaktionsstürme erwarten dürfen.

In Gespräch mit interessierten Unternehmen kommt bei dieser Ausführung oft die Aussage „Ja, das leuchtet ein. Aber wir haben da keine Zeitresourcen für!“. Das ist in meinen Augen Quatsch in doppelter Hinsicht:

  1. Es bringt überhaupt nichts, wenn man Google+ nur „so nebenbei“ mitmacht, weil es andere machen. Die Zeit kann man sich auch schenken und effektiver nutzen.
  2. Der Zeitmehraufwand ist nur minimal höher als bei einem Facebook-Beitrag – wenn man sich einmal richtig mit der Thematik auseinandergesetzt hat.

Und dieses Missverständnis führt gerne auch direkt zu der Annahme, dass sich der (möglicherweise) bereits erlangter Erfolg im Social Web automatisch auch auf Google+ fortsetzt. So kann schnell die verzehrte Wahrnehmung enstehen, dass sich Googles soziales Netzwerk nicht lohnt, weil man dort nur 450 Follower – und auf Facebook über 4.500 Fans habe! Dass die Firmenpräsenz oder das Profil im blauen Netzwerk vielleicht schon 3 Jahre alt ist und man dort die Zahlen mit Werbung pushen kann, vergisst der ein oder andere dabei schnell. Zudem besitzt jedes Netzwerk seine eigenen Spielregeln, deren Nichteinhaltung oftmals automatisch zum Nichterfolg führen kann.

Positive Google+ Effekte trotz wenig Zeit

Selbst wenn man die Google+ Spielregeln verinnerlicht hat – die Frage ob sich Google+ für das eigene Unternehmen lohnt oder nicht muss jeder Social Media Verantwortliche in meinen Augen für sich beantworten. Wir sind zwar glücklicherweise weg vom Geisterstadt-Getrolle, aber man muss dem Ganzen auch etwas Zeit geben, damit sich Seite und Communtiy entwickeln können.

Sollten die eigenen Ressourcen nicht für eine dauerhafte Contentbefüllung des Kanals ausreichen, kann Google+ auch mit einer geringen Zeitinvestition bereits positive Effekte erzielen. Durch die Verknüpfung des Google+ Profils mit dem eigenen Blog (oder dem des Unternehmens) wird zumindest die Sichtbarkeit der eigenen Beiträge in den Suchergebnissen gesteigert, schließlich ist das Profilbild neben Seitentitel und Beschreibung ein echter Klickfang! Die Google+ Verknüpfung mit der Website ist kein Hexenwerk und erfolgt über das einfache Hinzufügen eines Code-Schnipsels, der auf der offiziellen Seite generiert werden kann.

Die Zukunft ist klar

Auch die letzten Pessimisten dürfte in nächster Zeit klar werden, das Google+ nicht einfach nur ein Experiment von Google ist. Ganz im Gegenteil: Das soziale Netzwerk wird immer stärker in bestehende Dienste integriert (Google Mail, Kalender, Suche, Youtube, Android) und somit nach und nach der „soziale Hafen“ des Google-Ichs. Google hat durch seine besondere Rolle im Netz einen extrem langen Atem und steht dadurch nicht unter unmittelbaren Erfolgsdruck, so dass sich das Netzwerk in Ruhe entwickeln kann. Die hervorragende Google+ App für Android und iOS wird die Entwicklung dabei eindeutig begünstigen. Ich bin deshalb sehr gespannt auf die Entwicklung von Google+ und auf die noch kommenden Features.

Wer noch unsicher ist, ob er Google+ nutzen soll, dem empfehle ich die Seite Das-Ist-Ein-Plus.de, die kurz und knapp alle Besonderheiten und Vorteile von Google+ auflistet.

Über den Autor

Philipp Steuer

Hey, ich heiße Philipp und Ich helfe Menschen und Firmen wie Red Bull, Disney oder McDonald’s neue digitale Trends und Innovationen zu verstehen und sie richtig für sich einzusetzen. Beruflich segele ich unter der Flagge des Kommunikations-Startups hypr aus Berlin. Buch mich für einen Vortrag, einen Workshop oder eine Beratung. Erfahre hier mehr über mich oder besuch mich auf Twitter I Youtube oder Facebook+.

6 Comments on “Google+ ist keine Geisterstadt mehr – eine Momentaufnahme”

  1. Hallo Philipp,

    bin großer Fan von Guy Kawasaki, der ja neben Deinem das zweitwichtigste Buch zu G+ geschrieben hat 🙂

    Gestern sah ich ein Hangout on Air mit Mike Elgan, der seit Monaten nichts mehr auf seinem Blog schreibt und alles über G+ macht. Er sagt:

    >>>

    Instead of saying, “I’m going to write a blog post now,” or “I’m going to send an e-mail” or “I think I’ll tweet something” you simply say what you have to say, then decide who you’re going to say it to.

    If you address it to “Public,” it’s a blog post.
    If you address it to “Your Circles” it’s a tweet.
    If you address it to your “My Customers” Circle it’s a business newsletter.
    If you address it to a single person, it can be a letter to your mother.

    I’d say this is pretty revolutionary.

    <<<

    Wann wirst Du auf Deinen Blog verzichten 🙂 ?

    – Hans Steup, Berlin

    Mike: http://google.me/+MikeElgan
    Hangout: http://www.gplusgotogal.com/ggoto-gal-interviewing-mike-elgan

  2. Ein ganz toller Artikel wobei ich auch nur unterstreichen kann, dass man Google Plus nicht so nebenher ,machen kann. Ich höre von vielen Leuten: “ Google Plus, das ist nichts für mich“ und “ Ich komme mit dem Netzwerk nicht klar“ oder “ da bleibe ich lieber bei Facebook“ …In dem Moment könnte ich den Kopf auf dem Tisch hauen, denn diese Kleingeister haben Google Plus nicht verstanden, haben nicht verstanden, das es wesentlich effektiver zugeht und die Kontakte keine Fakes sind. Hier ist das Feeling einfach anders, die Synergien die ausgetauscht werden, sind mit Gold einfach nicht aufzuwiegeln. Zwar läuft man stellenweise “ Gefahr“ das man sich austauschen muss und auch mit Kommentaren rechnen muss, mit denen man nicht gerechnet hat. Aber genau das ist es doch, es kommt Bewegung auf, hier wird nicht nur sinnlos auf „gefällt mir “ geklickt, sondern richtig interagiert.

  3. Hallo Philipp,

    du kannst das so toll erklären, daß auch eine Ahnungslose wie ich das alles kapiert. Ich schreibe nun seit dem 20. Sept. 2012 einen Blog. Gerade studiere ich noch dein onlin-Buch.
    Vielen Dank, daß du uns dein Wissen so mitteilst.

    Liebe Grüße
    Gisela aus dem Berchtesgadener Land

  4. Geisterstadt hin oder her!
    Fakt ist allerdings, das viele Seiten immernoch weniger Traffic über G+ im Vergleich zu fB bekommen.
    Mobilegeeks ist hier das beste Beispiel!

  5. Pingback: Google+ Wachstum und Zukunft > Google+ > Social Insider

  6. Du beschreibst ganz genau das Positive an Google Plus. Auch wenn es etwas gewöhnungsbedürftig ist, die ganzen langen Texte, aber die Schreibkultur ist einfach eine Angenehmere. Auch wenn ich immernoch mehr lese als schreibe: Der Informationsgehalt ist höher und damit ist die Zeit bei G+ effektiver genutzt. Bei FB kann man natürlich ganz toll lesen, was der damals so gehasste Klassenkamerad grade Tolles gemacht hat, aber wen interessiert das denn wirklich? Wenn ich Giern will, dann kan ich auch auf den Privatsendern die ganzen Talkshows schauen. 🙂
    Gruß, Max

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