Es ist ein Montag Morgen und ich scrolle wie immer kurz nach dem Aufstehen durch meine Twitter Timeline. Neben dem ganzen persönlichen Kram sind darunter hier und da auch Artikel a lá „X Dinge, die du von erfolgreichen Menschen lernen kannst!“. Warum du um diese Artikel einen Bogen machen solltest, möchte ich in den nachfolgenden Zeilen erklären.
Vorweg muss ich zugeben, dass ich super empfänglich für die Art von Content bin. Ich bin ehrgeizig und immer bemüht, noch mehr aus mir herauszuholen. Wenn jemand sagt „Das schaffst du nicht“, dann fühle ich mich direkt doppelt angespornt. Aus dem Grund finde ich es auch immer spannend zu lesen, was so ein Mark Zuckerberg den lieben langen Tag treibt und ob ich mir da nicht noch was abgucken könnte, um eben erfolgreicher zu sein.
Doch diese Artikel sind Bullshit. Schlimmer noch – diese Artikel machen mir ein schlechtes Gewissen. Bisher dachte ich, es ginge nur mir so, aber heute Morgen las ich diesen Tweet von Milena:
Diese Artikel, die mit "erfolgreiche Menschen machen dies, machen das" – kann die mal abschaffen bitte?
— Milena Glimbovski (@Milenskaya) 19. September 2016
Doch wieso sind diese Artikel Schwachsinn? Die Antwort ist simpel und in wenigen Punkten erklärt.
Andere kopieren
Sie versprechen dir, dich besser zu machen, in dem du die Verhaltensweisen anderer kopierst. Klar finde ich es imponierend zu sehen, dass ein Tim Cook angeblich jeden Tag um 4 Uhr aufsteht. Aber ich selbst hab das mal für ein paar Tag probiert und nach einem kurzen Hoch nichts mehr auf die Kette bekommen. Weil der Rest meines Tages eben nicht der von Tim Cook ist.
Zu einseitig
Diese Artikel sind oftmals super einseitig und beleuchten nur einen kleinen Teil des Ganzen. Elon Musk schafft es scheinbar mühelos, Tesla, SpaceX und noch gefühlt 17 andere Unternehmen gleichzeitig zu führen. Einfach nur durch seine Genialität und eisernen Willen. Dass er dadurch ein ein komplett verkorkstes Familien- und Liebesleben hat, wird dabei seltener erwähnt.
Schlechtes Gewissen
Ich für meinen Teil bin ein großer Fan von Gary Vaynerchuk. Was der Typ täglich online alles raushaut, ist super beeindruckend. Ich hab am Ende des Tages dann gerne mal ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht so viel wie er geschafft habe. Was aber auch Quatsch ist, denn: Er hat Assistenten, die seinen Tag planen. Er hat ein Team von 4 Leuten täglich um sich, die ihn filmen, seine Videos schneiden und auch das Gesagte in Schriftform packen und als Artikel raushauen. Das hat er sich mühevoll erarbeitet und was er sagt, ist oftmals auch ziemlich schlau. Und obwohl ich das alles weiß sitze ich dennoch oft vorm Rechner und denke mir: „Man, wieso kann ich das nicht alles auch schaffen!“ und mache dann enttäuscht von mir selbst gar nichts mehr.
Die Lösung
Doch was jetzt, magst du dir denken. Ich bin kein Freund davon nur zu kritisieren und dann keine Lösung zu bieten. Deshalb gibt es nachfolgend ein paar Dinge, wie ICH mit dem ganzen Optimierungsgedöhnse klarkomme. Das ICH schreibe ich bewusst groß, weil es nicht unbedingt für DICH die Beste Lösung ist.
1. Das große Ganze betrachten. Ich versuche bei Vorbildern oder Fällen, in denen eine Person etwas total gut gemacht hat, immer das Ganze drumrum vorzustellen. Ja, er kann 10 Unternehmen gleichzeitig führen. Aber: Er hat dadurch keine Freizeit und seine Familie hasst ihn.
2. Jedem das Seine. Ich versuche, meinen Tag bestmöglich für MICH zu optimieren. Nur weil Person X sich schon um 3 Uhr Morgens das Chiasamen-Frucht-Müsli reinzieht, heißt es nicht, dass ich automatisch schlechter bin, nur weil es bei mir um 10 Uhr NUR das Weißmehl-Smørrebrød mit Erdbeermarmelade ist.
3. Kacke passiert immer. Ich bin Perfektionist und fucke mich schon ab, wenn das Logo auf der neuen Visitenkarte 2 Pixel zu weit links ist. Ja, das sehe ich. Aber: Kacke wird immer passieren. Egal wie perfekt ich alles plane, es wird immer irgendein Problem auftreten. Wichtig ist dann nur, entsprechend darauf zu reagieren.
Warum ich das schreibe?
Weil ich immer mehr Menschen in meinem Alter (ich bin 25) sehe, die sich irgendwie kaputt optimieren und sich durch (Social) Media erzählen lassen, wie sie zu funktionieren haben. Manche gehen daran kaputt, was einfach nur super schade ist. Dabei haben es all die erfolgreichen Menschen doch gerade deshalb geschafft, weil sie NICHT wie der Rest waren.
Hab deshalb immer im Kopf: Nicht perfekt heißt gleichzeitig auch, besonders zu sein. Mach was draus!
3 Comments on “Dieser Artikel wird dich NICHT besser machen”
Und da in wissenschaftlich:
http://www.lean-knowledge-base.de/prof-simon-volksverdummung/
Ich sehe solche Artikel wie die Bereitstellung eines Zebrastreifens. Dieser gibt uns die Möglichkeit eine vielbefahrene Straße zu überqueren. Für viele funktioniert das super, für manche eben nicht. Deshalb findet man aber an Zebrastreifen nicht eine ausführliche Bedienungsanleitung. Man kann als Überquerer vorher zuschauen, wie es andere machen. Das muss aber nicht der beste Weg für mich sein. Jeder begegnet anderen Situationen, die er beim Überqueren meistern muss.
Ein Aufzeigen, wie andere Menschen bestimmte Situationen bewältigen, muss doch nicht bedeuten, dass bei mir das gleiche Verhalten die gleichen Ergebnisse hervorbringt.
Ich kann den Urhebern dieser Artikel keine Vorwürfe machen, denn sie geben die Möglichkeit zu „lernen“. Das Leben ist eben mal voller Situationen, die ich erst lernen muss. Ich meine damit aber nicht nachmachen, sondern beobachten, bewerten und bei Bedarf in Überlegungen einbinden. Wie du selbst geschrieben hast, hast du bemerkt, dass ein frühes Aufstehen nicht dein Ding ist. Das hast du aber erst bemerkt, nachdem du vorher beobachtet, bewertet und in deine Überlegungen eingebunden hast. Dafür musstest du aber erst lesen, dass ein anderer so früh aufsteht UND zeitgleich Erfolgreich ist. Ob das in Verbindung steht muss jeder selbst für sich herausfinden.
Darf man also deinen Vorträgen auch nicht mehr glauben? Hier geht es doch auch um Erfahrungsberichte. Deine Erfahrungen müssen doch auch nicht für andere genauso funktionieren. Du gibst Tipps, wie es für dich am besten funktioniert hat, aber du musst nicht jedem auch noch ausführlich erklären, dass das für ihn nicht zwingend auch so sein muss. Das Leben ist nun mal ein Lernprozess und dafür braucht man auch Erfahrung anderer (Vorbilder). Kein Erfahrungsbericht eines anderen ist Garant für ein gleiches Ergebniss für einen anderen. Das sollte aber jedem klar sein.
Pingback: Lesenswerte Links – Kalenderwoche 38 in 2016 > Vermischtes > Lesenswerte Links 2016