Mit Verwunderung sah ich heute auf Google+ die Meldung von DRadio Wissen, das man ab sofort Google+ den Rücken kehre und sich stattdessen weiter Facebook und Twitter widmen möchte. Der Grund: Die User würden zu wenig auf die Beiträge eingehen und dadurch verliere die Seite an Relevanz. Die Ankündigung sorgte für eine große Kommentarflut, die den Beitrag auf Platz 2 der angesagten Beiträge katapultierte. Ich habe mir die Seite angeschaut und möchte direkt vorweg sagen:
Liebes DRadio Wissen, es liegt an euch, dass die User nicht mit euch sprechen wollen!
Es ist schon irgendwo tragisch, das ausgerechnet die Abschieds-Nachricht zu einem angesagten Beitrag wird und die höchste Kommentarquote für die Seite auf Google+ bisher bedeutete. Doch fangen wir ganz von Vorne an: Am 9.11.2011 ging die DRadio Wissen Google+ Seite mit dem folgenden Beitrag an den Start:
DRadio Wissen – Hirn will Arbeit. Ab sofort auch auf Google+. Als Ergänzung zu unserer Website, zu Facebook und Twitter gehen wir auch hier an den Start. – Habt Ihr Wünsche oder Anregungen für uns? Was erwartet Ihr von G+? Wo liegen Eurer Ansicht nach die Stärken des Netzwerkes? Wo die Schwächen? Wir würden uns natürlich auch übers Teilen freuen!
Aus Social Media Hinsicht doppelt positiv. Zum einen, weil der Beitrag sehr zum diskutieren und mitmachen anregt, zum anderen weil man sich sehr früh dafür entschied, das Abenteuer Google+ zu wagen. Bis zum heutigen Tag weist die Seite 3.731 Follower auf, was eine anständige Zahl im deutschen Vergleich ist, mit der man definitiv arbeiten kann.
Aktivität vorhanden aber nicht beachtet
Kommen wir auf die Sache mit der mangelnden Aktivität zurück und schauen uns die Statistik an: Neben dem heutigen Abschieds-Post ist z.B. dieser Beitrag mit dem Thema „kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel“ über 68 Mal geplusst, 32 Mal geteilt worden und fuhr 64 Kommentare ein. Dieser Beitrag liegt auch nur 2 Monate zurück und zeigt, das definitiv Aktivität seitens der User vorhanden ist.
Schaut man sich die Facebook Seite im Vergleich an, so stehen zwar 24.478 „Gefällt mir“-Angaben zu Buche, aber ein durchschnittlicher Beitrag wird dort auch „nur“ 10 – 30 Mal geliked und die Anzahl der Kommentare ist auch sehr überschaubar. Das kann also definitiv kein Argument sein.
Das Prinzip Google+ Missverstanden
Ich möchte nochmal betonen, dass ich die Themen von DRadio Wissen sehr interesannt und tiefgründig finde, vor allem im Vergleich zu dem Medienmatsch mit dem man sonst tagtäglich beschallt wird. Aber: Es wurden gravierende Fehler gemacht, so das man sich über mangelende Beteiligung nicht wunder darf. Ich möchte dies nun anhand konkreter Beispiele ausführen:
1. Die Seite sieht stiefmütterlich behandelt aus
Während der Twitter-Account und die Facebook-Seite optisch passend gestaltet wurden, sticht einem auf der Google+ Seite (siehe Screenshot oben) direkt der 0815-Banner ins Auge, der bei der Designumstellung Anfang April eingeführt wurde. Hier könnte man prima dasselbe Banner-Bild von Facebook oder etwas anderes einbauen. So sieht die Seite momentan auf den ersten Blick einfach vergessen aus.
Gleiches gilt für die Info-Seite: Statt eines warmen Begrüßungstextes findet man hier nur das kurze Motto (das ich im übrigen super finde) und die Adresse. Kein „Schön, dass ihr hier seid“ oder „Wir posten hier Beiträge zu den Themen Wissen, Kultur und Hörfunk“. Schon ein Teil der aufgezählten Punkte würde die Seite direkt sympathischer und lebendiger machen.
2. Großes Optimierungspotential der Beiträge
Auf Facebook kann man problemlos Links mit einem kurzen Hinweis teilen. Auf Twitter geht es aufgrund der Zeichenbegrenzung auch nicht anders. Auf Google+ hingegen wird das reine Posten von Links meistens mit Ignoranz abgestraft. Wieso? Weil die Nutzerschaft anspruchsvoll ist und gerne im Vorfeld kurz und knapp wissen möchte, was für Inhalte sich hinter dem Link verstecken. Das immerhin hat DRadio Wissen versucht. Aber:
Nicht ohne Grund hat man beim Verfassen von Beiträgen die Optionen, Wörter oder ganze Absätze zu formatieren. Überschriften kann man zum Beispiel fett machen, darunter direkt eine weiter erklärende Überschrift kursiv formatieren. Dadurch kann man den Beitrag optisch gliedern und das Ganze bekommt einen ganz anderen Charakter. Ebenso sollte man bei jedem Beitrag die Möglichkeit ausschöpfen, große Bilder mit dem Inhalt zu verknüpfen: Das steigert die Aufmerksamkeit drastisch.
3. Die Aktivität wird bemängelt – aber selber ist man nicht aktiv
Das ist wohl einer der größten Kritikpunkte, die ich an dieser Stelle anbringen möchte: DRadio Wissen ist nie (zumindest in den letzten Beiträgen) nochmal aktiv in den Kommentaren geworden, falls Fragen seitens der User aufkamen. Ebenso wurden weder +1 verteilt oder auf eine andere Art und Weise mit den Lesern interagiert.
Von nichts, kommt eben nichts. So abgedroschen dieses Sprichwort auch sein mag: Für mehr Aktivität muss man Fragen stellen, auf die Leser eingehen und dadurch die Diskussion fördern. Die Reaktionen der User auf den Abschiedspost haben doch gezeigt, dass man gerne die Themen verfolge und es schade findet, dass man Google+ den Rücken kehren will.
Bleibt bei Google+
Dieses Beispiel zeigt so oder so deutlich was passieren kann, wenn man ein Social Network falsch versteht bzw. einfach die Strategien und Vorgehensweisen anderer Netzwerke übernimmt. Zum Abschluss empfehle ich DRadio Wissen, doch auf Google+ zu bleiben und die von mir gegebenen Hinweise zu berücksichtigen. Natürlich stehe ich für etwaige Rückfragen bereit. Dann klappt es auch mit der Mitmach-Quote.
Update: Ich wurde im Zuge des Artikels ins Studio von DRadio Wissen eingeladen und durfte dort in einer Live-Sendung zum Thema Google+ Rückzug meine Kritikpunkte erläutern. Den Mitschnitt der Sendung könnt ihr über diesen Link finden.
12 Comments on “DRadio Wissen kehrt Google+ den Rücken: Analyse einer gescheiterten Ehe”
Respekt! Heute Morgen kannte ich dich noch gar nicht. Dann habe ich deine interessanten Kommentare bei G+ gelesen, bin auf diesen wirklich guten Beitrag gestoßen und nun hör ich dich auf dradio.wissen. Steiler Aufstieg! 🙂
Wer Twitter mit einem Social Network verwechselt, hält Google+ auch für ein neues Facebook. So wird das dann nicht. Und Kommunikation ist nun mal alles. Da kann ich dir, lieber Philipp, nur beipflichten. Auch die anderen von dir angesprochenen Punkte kann ich bestätigen.
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Lieber Philipp,
vielen Dank für diesen guten Beitrag. Er erläutert sehr schön noch einmal alle Grundregeln erfolgreicher Kommunikation im Social Web. Eine Frage bleibt für mich offen: Warum sollte man zusätzlich zu Facebook und Twitter noch bei Google+ präsent und aktiv sein? Als enthusiastischer Nuetzr stellt man sich nicht die Frage nach dem ROI, in Unternemen aber schon. Erreicht DRadio Wissen so viel mehr Nutzer, die sie nicht schon über Facebook und Twitter erreichen, dass sich der Einsatz lohnt? Du sprichst das Anspruchsniveau der Nutzer an. Woran machst Du das fest? Hast Du ein Beispiel, in dem ein Unternehmen tatsächlich unterscheidbare Storytellingansätze bzw. Contentstrategien hat bei Google+ und Facebook?
Viele Grüße,
Maren
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Guter Beitrag!
Da DRadio Wissen ja ziemlich schnell einen Rueckzieher gemacht hat, koennte man ja fast von einer genialen Marketing Kampagne sprechen 😉
Sogar ich follow seit heute deren G+ Page…
Ich bin sehr erfreut über die sachlich optimistische Herangehensweise von +Phillip Steuer (hier ist wohl nicht G+ oder funktioniert das plus vor dem Namen trotzdem ?) jedenfalls fühle ich mich auf G+ trotz Anfängerlernphase gut und werde dieses Netzwerk gerne nutzen
Also am Anfang, die Zeit wo dieser Artikel und DRadio Wissen seine Entscheidung gefällt hatte, war Google+ noch nicht wirklich eine Konkurrenz zu Facebook. Twitter was ist Twitter? Also Twitter ist für mich kein Social Network, sondern eine Art Chat Forum.
Inzwischen hat sich Google+ je auf gleiche Augenhöhe mit Facebook weiter entwickelt. Es geht jetzt da doch nur daran alle die Funktionen so in das richtige Licht zu setzen, das sie auch genutzt werden. Also Blogger und Youtube besser in Google+ eben einbinden. Google+ hat da eben inzwischen mehr möglichkeiten auf Lager, als wie Facebook.
Doch sehe ich da die Gefahr, wie Yahoo Groups, das die vielen Funktionen nicht wirklich von der Masse genutzt wird. So auch von DRadio. Die hätten hier bei Google+ echt mehr Möglichkeiten als wie bei Facebook.
Man sollte der Sache etwas Zeit geben sich zu entwickeln.