Och nee, magst du dir vielleicht denken. Jetzt kramt der Steuer wieder Google+ raus, damit hatte er uns doch erst vor vier Jahren genervt. Richtig! Damals war meine Leidenschaft für das Netzwerk sogar so groß, dass ich als Google+ Community Manager bei Google Deutschland arbeitete.
Wie wir alle wissen, wurde das Teil keine Erfolgsgeschichte. Nichtsdestotrotz habe ich damals die Entwicklung des Netzwerkes hautnah mitbekommen und wenn ich aktuell auf Snapchat blicke, sehe ich große Unterschiede. Die nachfolgenden Zeilen werden kein Bashing, keine Sorge! Ich möchte lediglich ein paar Faktoren aufzählen, an denen jeder sehen kann, wie „gesund“ ein Netzwerk oder eine App wirklich ist und welches Potenzial dahintersteckt.
Keiner wollte Google+ nutzen
Ein Problem, das mir damals trotz meiner rosaroten Google-Brille auffiel, war: Bis auf wenige Enthusiasten wollte Google+ niemand nutzen. Weder meine Familie, noch Freunde, selbst meine Arbeitskollegen bei Google verabredeten sich lieber über Facebook. Allein daran merkte ich: Irgendwas stimmt hier nicht.
Das fehlende Alleinstellungsmerkmal
Der Grund dahinter ist simpel: Google+ machte nichts besser. Es gab wenig – bis auf die ganze SEO / Suchmaschinen Kiste – das für das Netzwerk sprach. Es war eine Mischung aus Facebook und Twitter, aber ohne wirkliches Alleinstellungsmerkmal.
Dann vielleicht doch noch Erfolg haben, in dem man sich als Messenger inklusive Hangout-Funktion etabliert? Guter Ansatz. Aber dann kam, sah und siegte WhatsApp und die Geschichte war durch.
Der Unterschied am Beispiel Snapchat
Im Vergleich dazu steht Snapchat. Die Nutzerbasis wächst stetig. Das kann ich auch wunderbar bei meinen Freunden aus der YouTube-Ecke sehen, deren View-Zahlen auf Snapchat monatlich steigen und aktuell zwischen 100.000 – 500.000 Aufrufe pro Snap liegen.
Das Netzwerk ist zudem anders als Facebook oder Twitter. Alleine schon, weil es kein richtiges soziales Netzwerk ist, sondern mehr öffentlicher Messenger. Durch die sich selbst löschenden Inhalte sind die User befreiter im Umgang mit dem Teilen und Veröffentlichen von Informationen.
Snapchat hatte dabei Glück. Es boomt gerade in der Zeit, in der wir alle die erste große Welle der sozialen Netzwerke durchhaben. Mit Facebook haben wir unser Offline-Leben online gelebt. In der Anfangszeit schrieben meine Freunde und ich so belanglose Dinge wie „Bin mal eben Brot kaufen!“. Ja, klingt witzig, war aber so. Mittlerweile hat keiner mehr Bock, das Ganze zu reproduzieren. Google+ war einfach zu spät und innovationslos gewesen.
Ein großer Haufen Leichen
Bei Google+ wollte man den Weg über große Marken und Influencer gehen. Sportvereine wurden akquiriert. Themenseiten erstellt. Marken und große Brands eingeladen und auf eine Vorschlagsliste gepackt, die jedem neuen Google+ Nutzer bei seiner Anmeldung angezeigt wurde.
Das führte dazu, dass die vorgeschlagenen Profile und Seiten ein tolles Wachstum verzeichneten. Ich war da vor meiner Google-Mitarbeiter-Zeit auch drauf und verzeichnete teilweise bis zu 4-stellige neue Followerzahlen pro Tag. Aber: Das waren alles Profilleichen. Viele klickten sich bei der Anmeldung durch, wenige blieben wirklich aktiv. Durch diesen Mechanismus blähte man das Netzwerk künstlich auf – vor allem in der Zeit, als man sämtliche YouTube-User dazu zwang, einen Google+ Account für die weitere Nutzung anlegen zu müssen.
Auch hier passt Snapchat als Kontrast wieder sehr gut. Schenke ich einem Snapchat-Analyse-Tool Glauben, so habe ich aktuell rund 7.000 Follower in der App. Im Schnitt schauen sich davon 4.500 Menschen meine Snapchat Geschichten an. 85% sehen sich meine Stories sogar bis zum Schluss an. DAS nenne ich mal Interaktion und Lebendigkeit. Bei meinem Instagram-Profil mit 21.000 Followern erreiche ich gerade mal 1.800 Likes. Und die auch nur mit Fotos, auf denen entweder mein Hund oder meine Frau mit mir zu sehen sind.
Liebesgeschichten und ein neuer Job
Ein weiterer Punkt, der die Gesundheit eines Netzwerkes anzeigt, sind Alltagsgeschichten, die erst durch das Netzwerk / den Messenger ermöglicht wurden.
Da wäre beispielsweise die mitreißende Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, deren junge Liebe jeder auf der Universität dank Snapchat Stories mitverfolgen konnte. Auch einer meiner besten Freunde hat seine neue Herzensdame über Snapchat gefunden.
Dann hätten wir noch Graham Allgood, der seinen Traumjob bei einer Agentur bekam. Ebenfalls nur wegen Snapchat, weil der Typ so genial war, einfach einen bezahlten Geofilter im Umkreis seines Wunscharbeitgebers zu platzieren. Natürlich mussten sie auf ihn aufmerksam werden und die Anstellung war der einzig logische Schritt.
Meldungen wie die genannten haben in letzter Zeit in Sachen Snapchat deutlich zugenommen. Sie zeigen vor allem eins: die App wird aktiv von der breiten Masse genutzt um die Liebe, einen Job oder andere menschliche Ziele zu erreichen.
Mit Google+ habe ich mich lange und intensiv beschäftigt. Solche Erfolgsstories gab es jedoch äußert selten, was ganz einfach damit zu tun hatte, dass es niemand außerhalb meiner Filterblase nutzte. Das muss jedoch passieren, damit sich so ein Netzwerk weiterentwickeln kann.
Tschüss Google+ und die Zukunft der anderen Netzwerke
Die Frage ist natürlich, wo der ganze Spaß in Zukunft hingehen soll. In meinen Augen haben sich Facebook, Instagram und WhatsApp so stark in unserem Leben integriert, dass man sich im Hause Zuckerberg keine großen Gedanken machen muss. Google ist mit Google+ gescheitert und wird die Kurve nicht mehr bekommen.
Twitter ist in meiner Filterblase sehr beliebt und auch ich liebe den blauen Vogel. Aber: Die breite Masse hat man bis heute nicht erreichen können. Ebenso fehlen die Innovationen und ein funktionierendes Geschäftsmodell. Die Twitter Anzeigen sind beispielweise fürchterlich.
Snapchat hingegen bommt nach wie vor und wird mit Geld überschüttet. Hier stimmt die Sache mit der Kohle, große Marken geben viel Geld für Werbung aus, die u.a. in Form von nicht störenden und oftmals sehr lustigen Gesichtsfiltern an die User ausgespielt werden. Auch die Positionierung zwischen YouTube und Instagram stimmt in meinen Augen.
Die jungen Wilden dahinter heißen musical.ly und beme. Doch diese müssen sich erst beweisen und zeigen, dass sie auch langfristig die Nutzerzahlen hochhalten können. Andere Plattformen wie Vine, Ello oder Peach sind nette Ansätze – mehr nicht und man sollte da entsprechend schon mal die Sargnägel griffbereit legen.
Ich hoffe, dass ich mit dem Artikel hier ein paar nette Einblicke in die große weite Welt der sozialen Netzwerke geben konnte. Speziell im direkten Vergleich von Google+ und Snapchat dürftest du deutlich sehen, worauf es letztendlich ankommt und wie du selbst herausfinden kannst, welchen Gesundheitszustand ein beliebiges Netzwerk hat.
Ich für meinen Teil bin gespannt, was noch so kommen wird und schließe meine Praxis für heute.
5 Comments on “Google+ ist tot, lang lebe Snapchat! Über die Zukunft der sozialen Netzwerke”
Google+ ist leider nicht ganz tot. Leider steht dem vollständigen Absterben dieses Netzwerkes eine wichtige Tatsache im Weg: Google. Google+ mogelt sich immer noch in die Suchergebnisse von Google und hat damit leider noch eine Relevanz. Eventuell entwickelt es sich in eine reine Business-Publishing Plattform / News-Zentrale für Unternehmen in der aktuelle Beiträge in die Suchergebnisse gestreut werden (?).
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wie is die doggy bee so
Ach, Philipp… Woher Deine Abneigung gegen G+ kommt, wissen so ziemlich alle verbliebenen Kreisels. ;o))
Wir hatten Hochzeiten, wir hatten Trauer auf G+
Und welche Snapchater haben sich bislang im RL getroffen?
Sehr viele :)!