Um direkt kitschig zu starten – ich bin stolz auf meine Frau. In vielerlei Hinsicht, einen Aspekt aber besonders: Als ich sie damals vor 10 Jahren kennenlernte steckte sie tot unglücklich in mitten ihrer Bürokauffrau-Lehre und wusste überhaupt nicht, wie es danach weitergehen sollte. Jetzt, zehn Jahre später, leitet sie dank ihrem Ehrgeiz seit drei Jahren erfolgreich ihr eigenes Mode-Label und basierend auf einer älteren Idee haben wir vor einem Monat Lune & Ori gestartet, ein veganes Bio-Naturkosmetik-Startup mit dem Ziel, Schönheit ohne Kompromisse massentauglich zu machen.
Schönheit auf Kosten der Umwelt
Allein 552 Millionen Plastik-Shampoo-Flaschen landen jährlich im Müll und teilweise am Strand oder Meer. Vom schädlichen Mikroplastik in der Kosmetik selbst mal abgesehen. Ein Fakt, mit dem ich mich ohne Nadine nie auseinander gesetzt habe, ich als Mann – um das Klischee voll zu bedienen – hab einfach seit Jahren meine 0815-Pflege. Wichtig ist mir, dass es nie zu sehr nach Moschus-Ochse oder Auto-Felge riecht.
Meine Frau hingehen hat extrem lange und schöne Haare und vermutlich schon jedes Haarprodukt der Welt getestet. Egal ob billig oder teuer, zufrieden war sie auf Dauer nie. Wir spannen gemeinsam rum, dass man doch eigentlich eigene Shampoos und Conditioner auf den Markt bringen müsste – uns fehlt aber beiden die Erfahrung. Der Zufall wollte es, dass genau der richtige Mensch ein Zimmer weiter in ihrer Bürogemeinschaft saß, mit dem wir bei einem Plausch in der Küche den perfekten Mitstreiter fanden, der uns nicht nur die Logistik, sondern auch die Kontakte zu einem Partner bot, über den wir wiederum unsere eigene Produkte im Einklang mit der Natur umsetzen konnten.
Den Aufwand unterschätzt
Und ohne Scheiß – am Anfang haben wir den Aufwand komplett unterschätzt. Designs, Website, Flyer – alles fein, das kann ich. Strukturen, Abläufe, die Zielgruppe auf die neue Marke aufmerksam machen – ebenfalls kein Problem, da Nadine hier ihre Stärken hat. Aber aus „Wir hätten gerne Shampoos und Conditioner, am liebsten in den Richtungen Traube und Holunder“ bis hin zum fertigen Produkt vergingen zwei Jahre. Darin enthalten auch die Anschaffung einer eigenen Abfüllanlage + der Bau eines eines Abfüllraums mit strengen Auflagen sowie Kontrollen durch die Behörden.
Statt Plastikflaschen setzen wir auf Glas. Das Etikett ist eine recyclebare Folie. Die Produkte zu 100% bio, vegan und ohne Mikroplastik. Die Deckel werden noch durch welche aus Rohrzucker ersetzt, die Dosierer gegen welche aus Metall. Um Verschwendung vorzubeugen, müssen die Pumpdosierer zudem einzeln zu den Flaschen gekauft werden. Auch diese Idee kam sehr gut an. Genug zu den Hintergründen.
5 Learnings
Was habe ich nun gelernt?
1. Hab eine klare Botschaft, die im Kopf bleibt.
Vegane Bio-Naturkosmetik klingt jetzt im ersten Moment nicht nach dem ultra sexy Türöffner. Unser Ziel „Schönheit ohne Kompromisse“ oder „Gut für Dich UND die Umwelt“schon. Deshalb merke: Definiere im Vorfeld deines Vorhabens eine klare Botschaft. Das ist einfacher als gesagt, aber es hilft dabei, dass die Leute sich besser mit dir identifizieren können.
Bei uns ist es sogar soweit, dass die Kunden uns schreiben, dass sie vorher gar nicht über den Plastik-Müll durch Shampoos nachgedacht haben, jetzt aber kritischer in in Zukunft einkaufen möchten.
Für die Produktion der Visuals wie Produktbilder oder Promo-Clip konnten wir zum Glück auf unseren Freundeskreis zurückgreifen, in dem sich talentierte Foto- und Videomenschen befinden. Danke besonders an Bernd, Naina und Christian!
2. Setz 100% auf den Kunden.
Wir beide haben damals mal eine Zeit lang im Kundenservice eines Fotobuch-Anbieters gearbeitet und hier eine wichtige Erfahrung mitgenommen: 100% Kundenorientierung ist die Grundlage für den Erfolg. Ja, es gibt auch Arschlochkunden. Aber die sind selten. Was 100% Kundenorientierung heißt: 24/7 Erreichbarkeit. Kein Kunde soll länger als einen Tag auf eine Antwort warten. Bei Problemen mit der Bestellung (z.b. eine kaputte Flasche) gibt es direkt Ersatz. Falsche Bestellung? Kein Problem, wir schicken ihm die richtigen Produkte zu und er kann die anderen behalten. In dem Bereich ist speziell die Antwortzeit noch unser größtes Todo, um das wir uns kümmern müssen.
Wir sind überzeugt davon, dass man nur so eine gute langfristige Beziehung aufbauen kann, bei der der Kunde gerne wieder kommt. So gehen wir auch offensiv freundlich mit möglichen Engpässen oder Problemen bei der Lieferung um, was ebenfalls sehr wohlwollend aufgenommen wird. Kommunikation ist hier der einfach, aber existentielle Schlüssel.
3. Das Auspacken muss wie Weihnachten sein.
Wir beide hassen nichts mehr, als wenn wir bei einem Online-Shop bestellen und die Ware einfach nur lieblos ins Paket geballert wurde. Manchmal frage ich mich, warum der- oder diejenige nicht noch drauf gespuckt hat, um seine Ablehnung der eigenen Sachen vollkommen auszudrücken.
Die „Verpackt mit Liebe“-Idee hat meine Frau schon bei ihrem Mode-Label etabliert. Die Bestellungen werden per Hand in Holzwolle gebettet, es folgt eine Dankeskarte sowie Herzkonfetti und immer eine Kleinigkeit zum Naschen. Ihr glaubt gar nicht, wie oft wir von den Kunden hören, dass der Erhalt des Paketes wie Weihnachten war.
Das schrieb uns z.B. Anke heute Morgen bei Facebook:
Ich lebe bis auf wenige Produkte verpackungsfrei – habe für Haarpflege allerdings nie etwas verpackungsfreies gefunden, was meinen Vorstellungen entspricht. Vor wenigen Tagen kam meine Bestellung an und schon alleine das Auspacken war wie Weihnachten. Man hat gemerkt, dass es mit ganz viel Liebe verpackt war. Gestern konnte ich endlich eure Produkte testen. Ich habe Shampoo und Conditioner (Traube) getestet. Beides riecht super. Meine Haare sind komplett entfettet (was bei Haarseifen und anderen Experimenten leider nicht so war) und fluffig. Sehr weich und lassen sich perfekt durchkämmen. Ich bin unglaublich begeistert und dankbar für eure Mühe und Arbeit! Macht weiter so!
GENAU DAS ist unser Ziel – wir wollen glückliche Kunden haben.
4. Offline ist nicht tot.
Was wir unterschätzt haben: Der Mensch an sich will Kosmetik gerne vorher testen, bevor er sie kauft. Vollkommen verständlich, wenn man Kosmetik im mittleren Preissegment erwirbt. Deshalb erhalten wir immer wieder die Frage, ob man uns im Laden kaufen kann. Das ist aktuell noch nicht möglich, aber wir arbeiten daran. Erstmal mit kleinen privaten Bio-Läden, unser Traum ist es jedoch, mal bei DM, Rossmann oder gern auch im Reformhaus zu stehen. Falls jemand Kontakte zu den verantwortlichen Personen hat und ein Jahres-Abo Lune & Ori als Dank haben möchte… schreibt mir bitte ;)!
5. Für Wachstum braucht es kreative Lösungen.
Bei einem kleinen Startup wie unserem ist Wachstum das große Ziel, denn wir wollen nicht bei Shampoos und Conditionern bleiben, sondern das Produktportfolio erweitern. Das ist aber mit Kosten im mittleren fünfstelligen Bereich verbunden. Auch wollen wir anderen Menschen die Möglichkeit bieten, bei uns zu arbeiten, um unsere Werte weiterzugeben. Deshalb müssen wir jetzt erstmal eine Menge X verkaufen, um den Gewinn reinvestieren zu können.
Ich bin schon wirklich dankbar über die extrem starke Community meiner Frau, die sie sich über die letzten Jahre mühsam und ohne Hilfe aufgebaut hat. So folgen ihr unter dem Namen „Kupferfuchs“ mittlerweile 185.000 Abonnenten auf YouTube, 105.000 auf Instagram und über 21.000 auf Twitter. Dadurch war der erste Push für Lune & Ori recht dankbar, da wir im Vorfeld das Projekt anteasern und z.B. auf Instagram schon den Account auf über 7.000 Abonnenten wachsen lassen konnten.
Innerhalb des letzten Monats haben wir über 1.000 Bestellungen verschickt und auf weitere hartnäckige Werbung verzichtet, weil wir erstmal alle Abläufe perfektionieren und das Fazit der Kunden abwarten wollten.
Jetzt werden wir Richtung Weihnachten in die nächste Phase eintreten und mein Plan sieht zum einen das Sampling von Freunden und Bekannten auf Instaragam vor. Influencer Marketing Light sozusagen, aber ohne Bedingungen oder irgendetwas.
Zudem werden wir Teile des Gewinns 1 zu 1 in kreative Facebook & Instagram-Ads stecken. Hier habe ich Basis-Vorwissen, aber ich werde ganz genau schauen müssen, wie und was ich bewerbe. Meine Wissens-Anlaufstellen hier sind Adsventure und die Social Marketing Nerds.
Aus Spaß twitterten wir letzten Dienstag passend zu „Der Höhle der Löwen“ Carsten Maschmeyer und Ralf Dümmel an, da sich beide innerhalb der Sendung an plastikfreien Lösungen interessiert sahen. Wir bekamen auch von beiden positives Feedback, let’s see, ob sich daraus etwas ergibt.
Allgemein braucht es mehr Frauen wie Nadine, die unserer männerdominierten Welt zeigen, dass das Geschlecht rein gar nichts über das eigene Potenzial aussagt. Meine Überlegungen hier: Nadine könnte mit ihrer Geschicht vielleicht auch anderen Frauen via Interviews, Podcast-Auftritten sowie Gastbeiträgen dazu ermutigen, ihrer Leidenschaft nachzugehen. Die Vernetzung hier werde ich übernehmen, wenn es die Zeit zulässt.
Ein letzter Punkt noch: Messen. Wir hätten auf die Veggieworld sowie Veganfach gehen können, letztere war zu teuer, erstere kam zu früh für uns. Nächstes Jahr sind wir definitiv dabei, vor allem die Veggieworld teilte uns mit, dass die Besucher neben all dem Food auch sehr gerne vegane Kosmetik austesten wollen würden. Spricht für uns.
Fazit
So ein Vorhaben ist anstrengend und zeitintensiv. Vor allem wenn man es wie ich nur neben der eigentlichen Arbeit nach Feierabend macht. Aber: Ich lerne gerade so viel über Kunden und deren Anforderungen, was unbezahlbar ist. Ebenso kann ich jetzt mein volles Skillset bestehend aus Marketing, Storytelling & Grafiken ausspielen, was mir große Freude bereitet.
Ich hoffe, ich konnte mit diesem Beitrag dem ein oder anderen von euch ein paar hilfreiche Einblicke & Tipps mit auf dem Weg geben, in der Hoffnung, dass ihr die Welt auch ein bisschen schöner machen wollt.