Der Begriff Digitalisierung oder „Digitale Transformation“ ist wohl eines der Buzzwords, das in in den letzten Wochen und Monaten in keinem Artikel eines Online-Wirtschaft-Blattes fehlen durfte. Für mich klingt es gefühlt nach einer Bezeichnung, die man in einem Business-Computer-Kurs für gealterte Manager irgendwann mal erfunden hat und mit der man möglichst „cool“ wirken wollte.
Das Problem: Der Begriff ist allgegenwärtig, jedoch versteht jeder etwas anderes darunter.
Digitale Transformation – meine Definition
Für mich bedeutet digitale Transformation das notwendige Upgrade eines Unternehmens bereichsübergreifend ins digitale Zeitalter, um konkurrenzfähig zu bleiben. Der Buchladen um die Ecke bietet nun auch die Bestellung via Online-Shop oder WhatsApp an. Der Dachdecker-Betrieb ermöglicht es Kunden, schon mal online ihre Dächer grob durchzukalkulieren. Und die Großmolkerei produziert nicht nur den Kuhflecken-Joghurt, sondern achtet bei der Verpackung und der Inszenierung auch darauf, dass der Kunde, der den Joghurt im Rewe kauft, auch eine Website via Tablet aufruft, die dann ein paar schöne Animationsfilme für Kinder beinhaltet. Stichwort: emotionale Kundenbindung.
Das sind nur drei Beispiele, mit denen ich mich so ähnlich im letzten Jahr auseinandersetzen durfte. Bei den einen Unternehmen gibt es einen großen Allgemeinbedarf („Wir haben noch gar keinen digitalen Fahrplan“) und bei den anderen sind es bestimmte Pain Points, wie die Erschließung neuer Zielgruppe („Wir müssen zu Snapchat!!!„).
Das größte Problem
Zwischen der Ausgangslage und dem Ziel gibt es dann immer unterschiedliche Schritte und Etappen, die mal schnell, mal weniger schnell erreicht werden können. Jedoch habe ich bei all den Projekten festgestellt, dass es am Ende gar nicht an Snapchat oder Facebook scheitert, sondern an der fehlenden Basis-Identität.
Die Definition und die Kenntnis über die eigene Basis-Identität ist bei der Digitalisierung meiner Meinung nach einfach der wichtigste Baustein, mit der alles super funktionieren, aber auch direkt den Bach runtergehen kann.
Was ist die Basis Identität?
Unter Basis Identität verstehe ich die vollkommene Betrachtung meines Unternehmens / meiner Marke. Dazu gehören die Antworten auf die Fragen:
- Wer bin ich?
- Was macht mich besonders?
- Was ist mein Ziel?
- Was ist mein Produkt?
- Wer ist meine Zielgruppe?
- Wo liegen meine Stärken?
- Hab ich die richtigen Werkzeuge (personell / technisch)?
Ein Beispiel, dass zur Frage „Habe ich die richtigen Werkzeuge / Strukturen?“ passt: Was hilft es dir, wenn in einem Marketing Team super Social Media Leute sitzen, diese jedoch keinen Zugang zu deinen Produkten haben? Was sollen diejenigen dann auf Facebook oder Instagram posten? Am Ende sind sie fast schon unter Druck gezwungen, dann doch die langweiligen Firmen-News zu veröffentlichen, für die sich außer dem Chef keine Sau interessiert. Und diese armen Angestellten werden dann auch noch dafür angekackt, warum der Facebook-Beitrag nur 3 Likes hat. Mit einer strikten Definition der Basis-Identität wäre hier bei der letzten Frage aufgefallen, dass man eben doch noch einen Mangel (Struktur) hat, den es zu beseitigen gibt.
Ein weiteres Beispiel: 2017 wollten viele meiner Kunden auf Snapchat setzen. Weil fancy. Weil cool. Weil jung. Ebenfalls alles für den Arsch, wenn du ein mittelständisches Unternehmen aus Olpe bist, das Wasserrohre produziert. Ja, du hast damit einen zweistelligen Millionen-Umsatz. Das ist großartig. Aber dein Marketing-Budget ist in dem Fall woanders besser aufgehoben. Und das sage ich, als ehemaliger Snapchat-Papst (Hinweis: So habe ich mich selbst nicht genannt…).
Eine – für alle – klar definierte Basis-Identität dient auch als einfache Entscheidungshilfe, im Falle von Snapchat visuell in der Grafik oben veranschaulicht.
Die eigene Basis-Identität definieren
Doch wie kommst du jetzt an deine eigene, dich vor dummen Ideen bewahrende, Basis-Identität?
Zunächst vergiss erstmal alles, was du glaubst zu sein. Mach dich frei von Wünschen und von Außen geprägten Zielen.
Setz dich hin und überlegt erstmal, wer du überhaupt bist. Was dich / dein Unternehmen darstellt. Beschäftige dich mit Fragen wie: Welche Zielgruppe spreche ich überhaupt an? Weiblich, Männliche, 13-65 Jahre, Deutschland, Österreich und Schweiz ist KEINE Zielgruppe, auch wenn es dir Facebook nach dem Klick auf „Beitrag bewerben“ so vorgaukelt.
Wenn du dann weißt, wer du bist und wen du erreichen willst, dann musst du dich immer noch fragen, WIE du das meistern möchtest und dazu gehört auch MIT WEM. Der Bankkauf-Auszubildenden mal eben Facebook und Twitter mit aufs Auge zu drücken, nur weil sie 19 und Digital Native ist und sich dadurch ja wohl mit der Materie auskennen muss, ist ebenfalls KEINE Lösung. Denn je nachdem, wie neu diese Person ist, weiß sie vermutlich wenig über die Werte und Ziele, also die Basis-Identität deines Unternehmens, wissen.
Du siehst schon – wir sind oben bei Digitale Transformation eingestiegen und stecken jetzt knietief in den Details. Das ist normal und im hektischen Alltag auch oft nicht vermeidbar.
Deshalb ist es umso wichtiger, sich frühzeitig im Jahr Gedanken über das Thema digitale Transformation und hier vor allem über die Basis-Identität zu machen.
Falls du ein Chef eines solchen Unternehmens oder dich einfach selbst vermarkten möchtest, dann hol dir – sofern du intern nicht die Ressourcen hast – externe Hilfe.
Vertrau dabei aber nicht auf Agenturen, die sich mit möglichst vielen tollen Preisen schmücken. Vertraue denen, die deine Basis Identität verstehen und die dir nicht irgendeinen Trend aufs Auge drücken wollen. Vertraue denen, die mutig sind, dir ehrlich sagen, dass deine bisherigen Versuche scheiße gewesen sind und die auch direkt Lösungsvorschläge bieten.
Klopf Klopf, die Digitalisierung ist da
Lange wirst du dich nicht mehr vor dem Thema verstecken können, denn irgendwann wird die Digitalisierung in Form eines Säbelzahntigers auch an deine Höhle klopfen. Du selbst kannst jedoch jetzt schon entscheiden, ob du auf diesen Fall vorreitet bist.
Oder ob du am Ende gefressen wirst.
P.S. Wenn du Hilfe brauchst – meld dich. Auch dieses Jahr kannst du mich wieder für Workshops und Vorträge buchen. Schreib mir einfach über das Kontaktformular.