Was ist eigentlich nur aus dem Internet geworden? Egal wo ich mich online bewege, betteln Facebook-Seiten, Twitter-Accounts und Instagram-Selfie-Addicts nach meinem Klick. Warum der Klick aber in meinen Augen komplett überbewertet ist, möchte ich in den nachfolgenden Zeilen erläutern.
KLICK MICH AN
2014 war das Jahr der Klickgeilheit. Klicks generieren um jeden Preis. Zahlreiche Webseiten klauten virale Geschichte von amerikanischen Seiten, deutschten sie ein und verpassten dem Diebesgut noch eine reißerische Überschrift a la „Was dieser total süßen Katze passierte, treibt mir und meinem toten Hamster immer noch die Tränen in die Augen“. Okay, die war ausgedacht. Aber so ähnlich.
Facebook reagierte und strafte diese Masche ab, indem man Clickbaiting – als das Klickfischen – im Algorithmus schlechter bewertete und solche Inhalte seltener in der Timeline auftauchen lässt. Soweit so gut. Aber das war einfach nur die Spitze des Eisberges und zeigt, dass im Internet seit gut 20 Jahren etwas falsch läuft. Denn: Was sagt ein Klick aus? Und wieso bepimmeln sich manche, weil sie mehr Klicks haben als andere?
Ursprung der Klickgeilheit
Der Urpsrung des Ganzen soll laut diesem grandiosen Artikel im Jahre 1994 liegen. Damals – ja, da gab es schon das Internet – war ich erst vier Jahre alt, als sich Ken McCarthy mit Online-Banner-Werbung auseinandersetzte und die Click-Through-Rate als Messgröße für die Werbeleistung im Web definierte. Für alle Nicht-Marketer: Die/Der CTR gibt an, wie viele Menschen auf eine Werbung geklickt haben. Hat man 100 Personen und nur eine davon klickt den Banner an, beträgt die Klickrate 1 Prozent (Quelle: Wikipedia).
Klick = Geld
Die Klickrate ist letztendlich der Grund gewesen, wieso Unternehmen wie Google groß werden konnten und es heutzutage immer noch sind. Fast schon witzig ist dabei die Tatsache, dass sich eigentlich alles im Web in den 20 Jahren verändert hat, nur die Klicks geblieben sind.
Doch was bringen mir viele Klicks? In erster Linie Prestige. Eine Seite mit vielen Klicks oder auch Views kann sich sehr einfach vor Werbepartnern platzieren. Viele Klicks = Hohe Reichweite.
Doch laut Auswertungen von Web-Analyse-Dienst Chartbeat hat der durchschnittliche Leser im Web lediglich eine Aufmerksamkeitsspanne von 15 Sekunden. Heißt in der Praxis: Klickt er eine Seite an, geht der Klickzähler +1 nach Oben. Findet der Besucher innerhalb von 15 Sekunden nichts Interessantes, ist er weg! Dem Klickzähler ist das egal. Gleiches gilt bei der Anzahl der Unique Visitor, also den eindeutigen Besuchern.
Klicks VS. Aufmerksamkeit
Somit dürfte für jeden klar sein, dass der Klick alleine kein Gradmesser für die Qualität des Inhaltes ist. Deshalb bin ich auch fest davon überzeugt dass alle Websites, die mit klickgeilen Artikeln um sich werfen, irgendwann damit auf die Nase fallen. Denn für den Erfolg einer Website sind aktive Besucher wichtig, die wiederkommen. Die einen Autor oder eine Seite zu schätzen wissen.
Worauf sich neue Webprojekte wie Medium oder Upworthy konzentrieren, ist die Aufmerksamkeit der Leser zu bekommen, um sie möglichst lange auf der eigenen Webseite zu halten. Je länger, desto wahrscheinlicher ist es, dass derjenige zu einem festen Leser wird. Statt Klicks setzt man auf Zeit.
Zuschauerbindung bei YouTube
Diese Entwicklung hat auch YouTube beobachtet und besitzt schon seit längerem einen solchen Messwert in den eigenen Analytics, der sich auf Deutsch etwas schwer „Zuschauerbindung“ nennt. Dieser gibt an, zu viel Prozent das Video von den Zuschauern gesehen wird. Alles über 60 Prozent ist dabei „gut“, je höher, desto besser. Dort kann man sich auch genau ansehen, WANN die Zuschauer aussteigen. Das gibt dann mitunter genügend Futter, um den eigenen Content zu verbessern.
Videos mit einer hohen Zuschauerbindung sollen vom YouTube-Algorithmus bevorzugt behandelt werden. Der Grund dahinter ist klar, denn: Je länger sich ein Zuschauer ein beliebiges Video ansieht, desto länger bleibt er auf YouTube.
Übrigens: Die Klicks bei Webseiten sind vergleichbar mit den Views von YouTube Videos. Auch hier zeigt sich: Virale Videos haben oft Milionen-Views, jedoch nur eine geringe Abonnentenzahl. Diese One-Shots sind vergleichbar mit klickgeilen Artikeln. Eine gesunde Nutzer/Zuschauer-Basis sieht anders aus.
Der EINE Messwert
Die ideale Zukunft wäre natürlich, dass gute Inhalte im Web auch ihren verdienten Lohn bekommen. Heißt: Der Werberertrag müsste steigen, je länger ein Leser mit einem Artikel oder Story verbringt. Doch ist der Fokus auf die reine Zeit der richtige Ansatz? Geht es nach Buzzfeed-Chef John Perreti, dann nicht. Er sagte in einem Interview, dass wenn man sich zu sehr auf einen einzigen Messwert fokussiert, man schnell das Gegenteil erreicht. Das wird an einem Beispiel deutlich:
Messwert: Klicks
Umsetzung: Webseiten fangen an, Leute zum Klicken zu animieren.
Ergebnis: Besucher klicken mehr
Folge: Hohe Absprungrate + klickgeile Webseiten, die die User mit allen Mitteln zu sich locken wollen.
Wie ihr seht, führte die einseitige Konzentration zu zahlreichen Negativfolgen. Dieses Modell kann man u.a. auch mit Faktoren wie Zeit etc. durchspielen.
Wo geht die Reise hin?
Sicherlich wird sich zeitnah erstmal Nichts in diesem Sektor tun. Schließlich ist es auch nicht so einfach, den Faktor „Zeit“ so einfach zu messen. Ebenso werden soziale Netzwerke weiter an ihrer Mitgliederzahl gemessen werden, ganz egal wie künstlich aufgebläht diese auch sind.
Ich würde mir wünschen, dass mehr Seiten dem Beispiel von Buzzfeed, Medium & Co. folgen und so den notwendigen Wandel im Web anstoßen. Denn wie Eingangs bereits gesagt: Klicks sagen nichts über die Qualität des Beitrags aus. Sie sind nur eine Zahl, die man beliebig manipulieren kann. In diesem Sinne: Fick die Klicks!
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8 Comments on “FICK DIE KLICKS!”
Danke Philipp für diese gute Erklärung. Ja, auch ich habe all diese Klickbait Seiten auf FB geblockt. Auch wenn diese Seiten manchmal guten Kontent haben ist das für mich nicht würdig diese zu Klicken. Somit bleibt mir nur, hoffentlich ändert sich das bald!
@nbnde:disqus von den Mobilegeeks.de hat ja erst Anfang des Monats seinen Kurs KOMPLETT geändert.
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Äh. Und wo genau setzt der Chef der Mutter aller Click-Bait-Seiten seine Erkenntnis um?
Übrigens: Lustig, bei einem Artikel namens „fick die klicks“ vom Feedreader weiterklicken zu müssen. 😉
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Ich staune ja immer wieder, wie hoch die Klickrate noch immer bewertet wird. Und dies beileibe nicht nur von Kunden die keine Ahnung vom Online Marketing haben. Da sind auch „Spezialisten“ drunter, denen der Fokus auf dem CTR kleben geblieben ist. Verwende jeweils viel Überzeugungsarbeit darauf, um die Leute dazu zu bringen, doch auch mal die Aufenthaltsdauer und allgemein das Verhalten der Besucher auf der Site zu studieren.
Ich habe erst wieder angefangen zu Bloggen und werde versuchen so wenig wie möglich nach shares und likes zu betteln.
Für das natürliche Verbreiten der Artikel aber, habe ich Share-Buttons am ende jedes Artikels eingefügt.
Also ein gutes Beispiel für Klickgeilheit ist dieser Philipp Steuer. Wenn man sich bei seinem YouTube-Kanal die beliebtesten Videos anschaut, entdeckt man Titel und Thumbnails wie sie sich heftig.co nicht besser hätten ausdenken können. Auf seinem Twitter-Profil ist er sich nicht zu schade, immer wieder dieselben Blog-Posts zu teilen, da evtl. die Reichweite noch nicht stimmt.
Ich stimme dir voll und ganz zu, wenn du schreibst, dass „Klicks nichts über die Qualität des Beitrags aussagen. Sie sind nur eine Zahl, die man beliebig manipulieren kann.“ Aber erzähl das mal diesem Steuer!!1!
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