Tötet den Vergleich – Warum die Abschaffung von Likes, Views & Co. ein Segen wäre

Philipp SteuerBlog, Social Media

Ich publiziere jetzt seit gut 10 Jahren meine Gedanken auf den unterschiedlichsten Wegen: Angefangen bei Tweets und Blog-Artikeln, hin zu Videos und Podcasts. Am Anfang machte ich einfach mal und freute mich über die steigende Aufmerksamkeit. Jedoch kam mit höherer Reichweite auch irgendwie der Druck, gefallen zu wollen. Likes, Retweets und Aufrufzahlen manifestierten sich als Gradmesser in meinen Gedanken. Doch was würde passieren, wenn all diese Indikatoren wegfallen?

Meine Gedanken dazu wurden angeregt durch Twitter CEO and Jack Dorsey, der überlegte, den Like-Button zu killen, um Diskussionen zu fördern.

Tötet den Vergleich

Nun stell dir vor, es gäbe alle bekannten Netzwerke, jedoch würden weder Likes, Retweets noch Favoriten angezeigt. Eventuell Kommentare. Auch Google Analytics gäbe es, wodurch du somit nie wüsstest, wie viele Menschen tatsächlich deinen Artikel gelesen haben.

Ich finde diese Vorstellung ein bisschen romantisch, denn ohne diesen durch Indikatoren verursachten Druck könnte vielleicht die Qualität der Inhalte steigen. Man würde vielleicht viel eher wieder Dinge für sich publizieren, statt für andere.

Auch der zwischenzeitliche Twitter-CEO Ev Williams sagte vor Kurzem: ”Wir haben eine Welt kreiert, in der Aufmerksamkeit in der Menge belohnt wird”. Dem kann ich nur zustimmen.

Preiset den Content mit Herz

Versteh mich nicht falsch, ich möchte nicht das Social aus Social Media töten, aber die Entwicklung in den sozialen Netzwerken hat doch durch den Druck dazu geführt, dass vielen Inhalten die Tiefe oder gar das Herz fehlt. Und ich zeige hier mit dem Finger auch auf mich.

Doch die besten meiner Inhalte waren bisher immer die, in die ich die meiste Gedankenkraft gesteckt habe. Diese Inhalte fühlten sich auch besser als eine 0815-Meldung über irgendein neues Feature eines sozialen Netzwerkes.

Herzen sind Fluch und Segen

Dabei sind die Netzwerke ebenfalls Schuld an der Misere: Die Interkationsmöglichkeiten sind so simpel angelegt, dass selbst mein Boxer-Mischling Ole mit genügend Leckerchen-Einsatz meine Timeline durch-favorisieren könnte, ohne dass es jemand merkt. Likes und Favos haben für mich kaum Impact, Retweets sind ganz nett, jedoch entstehen die besten Diskussionen aus Kommentaren. Aber so ein Kommentar hat nun mal einen höheren zeitlichen Aufwand, als das Herzchen zu klicken.

Auch die Verinfluencerisierung der Welt hat dazu geführt, das Masse die Klasse schon lange die Klippe runtergeschubst hat. Wie oft war ich in den letzten Jahren bei Gesprächen anwesend, in denen sich die Beteiligten gegenseitig an der Anzahl ihrer Follower aufgeilten. Ein Blick auf das jeweilige Profil zeigt dann aber, dass es sich nur um Einheitsbrei ohne Seele handelte. Da bin ich froh, dass immer mehr Unternehmen langsam aber sicher verstehen, dass der Mensch selbst zu ihnen passen muss, ganz egal ob kleine oder große Reichweite. Doch die Like-, Share- und View-Metriken haben uns erstmal in eine negative Richtung getrieben.

Eine Lösung ist schwierig

Ich frage mich wirklich, ob es eine Lösung für alle gibt. Vermutlich nicht. Der Journalist wird weiter an den Aufrufzahlen seiner Artikel gemessen. Der YouTuber braucht die Klicks, um seine Miete bezahlen zu können. Ein grobes Abweichen seiner Inhalte kann er sich nur mit einer starken Community leisten und denen, die wenig bis kein Feedback bekommen, wird es vermutlich egal sein.

Auch würde die Abschaffung von Like-Metriken sicher dazu führen, dass mancher Mitarbeiter seinen Job verliert, da der Teamleiter ihn so in unserer zahlenfixierten Welt nicht mehr messen kann. Traurig, aber wahr.

Was bleibt ist zum einem mein Wunsch, mehr Inhalte mit Herz zu sehen, die wiederum von anderen genau deswegen wertgeschätzt werden. Auch wenn das ein paar Aufrufe und Likes weniger für den Autor bedeutet.

Urlaub für Alle

Ich selbst fände so einen regelmäßigen Urlaub von den Social-Media-Metriken der Netzwerke für alle spannend. Einfach nur um zu sehen, ob und inwiefern sich die Inhalte dann verändern würden.

Seth Godin schrieb zuletzt vollkommen richtig: Die Mona Lisa selbst ist auch ein Social Media Star, ohne selbst Social Media zu betreiben. Sie ist beliebt, weil ihr Content stark genug ist, um die Massen für sich zu begeistern. Das wäre alles nicht passiert, wenn Leonardo da Vinci sie damals wie jeder andere Künstler gemalt hätte.

Ich werde mir an meinen eigenem Text hier ein Beispiel nehmen und zukünftig versuchen, der Versuchung schneller Aufmerksamkeit durch seelenlose aber klickstarken Content zu entsagen und mehr Herz in die Dinge zu packen, die ich veröffentliche.

P.S. Stell dich gerne selbst mal diesem Gedanken-Experiment. Würdest du deine Inhalte ändern, wenn du nicht nachvollziehen könntest, wie sie ankommen?

Über den Autor

Philipp Steuer

Hey, ich heiße Philipp und Ich helfe Menschen und Firmen wie Red Bull, Disney oder McDonald’s neue digitale Trends und Innovationen zu verstehen und sie richtig für sich einzusetzen. Beruflich segele ich unter der Flagge des Kommunikations-Startups hypr aus Berlin. Buch mich für einen Vortrag, einen Workshop oder eine Beratung. Erfahre hier mehr über mich oder besuch mich auf Twitter I Youtube oder Facebook+.