Passend zum Trending-Topic „Zeugnisse“ heute auf Twitter las ich vor kurzem auf Instagram eine Unterhaltung zweier jugendlicher Mädchen, die davon berichteten, dass sie in der Schule bei einem Aufsatz eine 6 kassiert haben, weil sie zum Thema „Vorbilder“ einen YouTuber porträtierten. YouTuber seien keine Vorbilder, hieß es. Die beiden Mädchen konnten die Argumentation und Benotung der Lehrerin natürlich nicht verstehen. Gut, tue ich auch nicht. Doch die Frage bleibt: Sind YouTuber Vorbilder?
Meine Antwort lautet: ja. Aber in einigen Fällen ziemlich schlechte.
Das klingt jetzt hart, ich weiß. Und von außerhalb der Szene noch mal ein Stück mehr. Aber meine persönlichen Erfahrungen mit den meisten Videomachern bestätigen diese Ansicht. Lasst es mich etwas differenzieren.
Respekt für die Arbeit
Jeder, der YouTube mit einem ehrgeizigen Ziel betreibt, hat zunächst Respekt verdient. Ganz egal ob er davon leben kann oder nicht. Es steckt eine Menge Arbeit hinter der Videoproduktion und „mal eben“ vor die Kamera stellen und drei Videos drehen ist nicht drin. Auch Skripte schreiben, diese mit der richtigen Technik umsetzen, die Videos schneiden, hochladen und und und. Das gehört alles dazu und in dieser Hinsicht sind sie Vorbilder, ja.
Fehlende Medienkompetenz
Wäre da nicht das große ABER. Viele YouTuber sind sich ihrer Reichweite und ihren Einfluss auf die junge Zielgruppe nicht bewusst. Eine leichtsinnige Aussage über die eigenen politischen Präferenzen kann auch – selbst wenn sich die Meinung geändert hat – dazu führen, dass man eben diese Aussage um die Ohren geschmissen bekommt. Das hat Jan Böhmermann bereits ausreichend und für den ein oder anderen vielleicht etwas zu fies am lebenden Beispiel eines bekannten Let’s Players demonstriert.
Klicks > Zukunft
Aber gut. Fehlende Medienkompetenz kann man lernen. Womit wir beim nächsten Thema sind. Schule und Ausbildung. Ich weiß, das klingt total spießig, aber ja, Bildung ist in Deutschland extrem wichtig. Wenn möglich, sollte sich jeder Schüler bemühen, das Abitur zu schaffen. Oder alternativ eine Ausbildung beginnen. Wieso ich das anspreche? Nun, manche YouTuber besitzen teilweise das Abitur, die meisten haben aber weder Ausbildung noch Studium begonnen. Oftmals wegen YouTube und weil sie sich auf die Videos konzentrieren möchten.
Und das ist für mich ein großer Fehler. Natürlich gibt es da die Fälle, bei denen es sich gelohnt hat, alles auf eine Karte zu setzen. Diese winzig kleine Personengruppe verdient problemlos 30.000 Euro im Monat. Aber was ist, wenn sie das Geld nicht intelligent anlegen? Und was ist mit dem Rest? Diejenigen, die gerade so über die Runden kommen?
Was wäre, wenn..?
Ich habe mich viel mit der Frage beschäftigt. Machen wir ein Gedankenspiel: was wäre, wenn das Internet von heute auf morgen zusammenbricht? Was genau haben die genannten YouTuber dann für eine Grundlage? Richtig: keine! Mir ist bewusst, dass dieser technische Fall wohl so schnell nicht eintreffen wird. Aber es zeigt einfach, wie abhängig diejenigen von der Plattform sind.
Spinnen wir noch ein bisschen rum. Aus welchen Grund auch immer, muss sich eine Person, die sich bisher nur auf YouTube verlassen hat, plötzlich einen neuen Job suchen. Im Bewerbungsgespräch – falls es dazu kommt – wird zunächst auf die schulische Ausbildung geschaut. Die Anzahl der Abonnenten ist hier zunächst vollkommen unwichtig.
Ich könnte an dieser Stelle noch mehr solcher Beispiele bringen und denke, meine Hauptbefürchtung ist soweit klar. Doch dann gibt es immer noch die Gruppe an Menschen, die sich Individualist nennt und eben meint, dass Bildung zwar ganz nett sei, Erfahrung aber viel viel wichtiger!
Bildung vs. Erfahrung
Grundsätzlich ist Erfahrung in meinen Augen sehr wichtig. Nach gut sechs Jahren im Berufsleben interessieren sich die wenigsten für meine Noten im Abi. Dennoch hätte ich keinen meiner bisherigen Jobs bekommen, wenn bei meiner Bewerbung das Abitur oder das abgeschlossene Studium im Lebenslauf gefehlt hätte. Das ist Fakt und hier in Deutschland wird es sich so schnell nicht ändern. Mit der Zeit wird dann jedoch die Erfahrung wichtiger. Man wird plötzlich daran gemessen, was man schon alles geleistet hat.
Doch der durchschnittliche YouTube-Zuschauer ist extrem jung. Vor ihm liegen noch Abitur, Ausbildung und Studium. Und deshalb finde ich es immer superschwierig, wenn einem die Vorbilder vorleben, wie schön und toll die ganze Welt doch ist, wenn man sich wie sie vollkommen aufs Videomachen konzentriert und sogar noch vermeintlich spielend einfach davon leben kann.
Aber nur die wenigsten können das. Deshalb mein Appell an alle, die „YouTube-Star“ werden wollen: Versucht es. Macht Videos. Gebt euer Bestes. Aber vernachlässigt niemals die Schule oder die Ausbildung fürs Videomachen. Denn stellt euch mal vor, das Internet würde von heute auf morgen zusammenbrechen…
8 Comments on “Warum YouTuber schlechte Vorbilder sind”
Was wäre, wenn Brötchen von heute auf morgen verboten werden? Dann sind alle Bäcker arbeitslos – auch mit Ausbildung! (Genauso unwahrscheinlich wie deine Annahme mit dem Internet…)
Sorry Philipp, aber die Argumentation ist an der entscheidenden Stelle nicht zu Ende gedacht. Schließlich gibt es immer Veränderungen, die zu einem anderen Berufsbild führen können. Der Bäcker kann stattdessen einen Kuchen-Lieferservice aufmachen und der Youtuber könnte beim Fernsehen anfangen. Am Ende zählt nicht die Ausbildung, sondern das, was man kann.
Just my 2 cents…
Ich bezweifle, dass YouTuberefenzen reichen um beim Fernsehen in eine Position zu kommen, die einem ähnliche Freiheiten gewährt, die jemand aus dem heimischen „Studio“ gewohnt ist.
Der Bäcker hat was gelernt. Der YouTuber kann auf dem Papier nichts. Nur wenn er extrem groß ist kann er mit Glück etwas in einem Medienunternehmen finden. Und wie Marius richtig sagt, lachen die TV-Leute über YouTuber. Von daher macht die Argumentation schon Sinn.
Wenn man die aktuellen Entwicklungen weiterspinnt sieht es eher so aus das auf kurz oder lang YouTube über das Fernsehen lachen werden. Ein Großteil der jungen Generationen heutzutage nutzen Youtube aktiver als das Fernsehen.
Nichtsdestotrotz schöner Blog mit interessanten Themen. 😉
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Schau mal
Wenn ein grosser YouTuber wie z.B. Dner kein YouTube mehr machen kann, dann ist die Aussage, Er hat nichts vorzuweisen, falsch. Er hat nämlich eine gewisse Berühmtheit, mit der er schnell mal von Werbepartnern umworben wird. Auch hat er seinen Merchandise und das Longboard, wo er denke ich viel Geld macht. Auch kann er immer noch studieren, er hat ja das Abitur.
Wenn das Internet ausfallen würde, würden noch viel mehr Berufsgruppen ihren Job verlieren als nur die YouTube, außerdem würde die Komplette Infrastruktur in Deutschland und fast der ganzen Welt zusammenbrechen.
Das Hauptproblem ist nicht die Zukunft des Youtubers selbst, sondern die des noch viel jüngere Zuschauers.
Der Zuschauer wird (wahrscheinlich) niemals in der Lage sein, sein Leben durchs Videodrehen zu finanzieren. Zum Ende hin beschäftigt sich der Artikel ja noch etwas mit dieser Thematik:
„[…] Doch der durchschnittliche YouTube-Zuschauer ist extrem jung. Vor ihm liegen noch Abitur, Ausbildung und Studium. Und deshalb finde ich es immer superschwierig, wenn einem die Vorbilder vorleben, wie schön und toll die ganze Welt doch ist, wenn man sich wie sie vollkommen aufs Videomachen konzentriert und sogar noch vermeintlich spielend einfach davon leben kann.[…]“
Ich glaube, dass die aktuelle Generation wieder eine „No-Future“-Generation ist/wird, allerdings nicht, weil sie keine Möglichkeiten hätten, sondern weil sie sich, ihren Vorbildern- den Youtubern, nacheifernd, sämtliche Möglichkeiten verbauen.