Die deutsche Meckerspirale: Mama, das Internet nervt

Philipp SteuerBlog, Personal5 Comments

Dieser persönliche Kommentar hier geht raus an alle Nörgler. An die Nörgler von Nörglern. An die Nörgler, die darüber nörgeln, dass Nörgler nörgeln. Nein, ernsthaft Leute: Was ist nur los mit uns? In den letzten Wochen und Monaten kommt es mir so vor, als ob Facebook, Twitter und Co. nur noch Ventile zum Dampf ablassen geworden sind.

Das Meckern ist des Deutschens Lust

Es vergeht in meiner Timeline kein Tag, an dem nicht mindestens eine Person einer anderen Person ans Bein pimmelt (sorry für den Ausdruck, aber er beschreibt es in meinen Augen ziemlich gut). Da können Argumente noch so schwach und lächerlich sein, es wird aus allen Rohren geschossen. Oftmals auch dann, wenn Anpimmelnder den Angepimmelten gar nicht persönlich kennt.

Böser böser Lanz

Das beste Beispiel ist doch Markus Lanz. Meine Fresse, was gab es da wieder einen Aufschrei, weil er sich „falsch“ gegenüber Sahra Wagenknecht in seiner Sendung verhalten hat. Den Fehler hat er mittlerweile selbst eingesehen (oder einsehen müssen), deshalb will ich an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen.

Aber die Reaktionen, die das auslöste, fand ich noch krasser als das Verhalten von Lanz selbst. Plötzlich gab es da den Mob mit den brennenden Heugabeln, die Markus Lanz absetzen wollten. Also startete man doch tatsächlich eine Online-Petition, die bis jetzt 168.882 Unterstützer fand. Einhundertachtundsechzigtausendachthundertzweiundachtzig. Man kann ja von ihm halten, was man möchte, aber sind Petitionen nicht für wirklich wichtige Dinge da? So war es auch nicht verwunderlich, dass direkt eine Gegenpetitionen mit dem Namen „Raus mit dämlichen Petitionen aus meinem Internet!“ gestartet wurde, die mittlerweile aber von der Plattform entfernt wurden.

Schlimmer ADAC

Lassen wir den Lanz Lanz sein. Nächstes Beispiel: ADAC. Was wurde da geschimpft, wie die Damen und Herren auf die Idee kämen, Zahlen zu fälschen. Überall wird direkt um Aufklärung gebeten und mit dem Austritt gedroht. Ganz ehrlich: Ich bin froh, dass es den ADAC überhaupt gibt. Sonst wäre ich z.B. damals in einer kalten Nacht auf der Strecke Köln – Leipzig mitten in Frankfurt jämmerlich erfroren.

Doofe Phrasendrescherin

Lanz, ADAC… ach, da wäre ja noch die Poetry-Slammerin Julia Engelmann. Ihr großartiger Auftritt wurde erst massenhaft geteilt. Dann massenhaft kritisiert, weil sie ja nur Phrasen dreschen würde und ja schon mal zwei Jahre in „Alles was zählt“ mitgewirkt hat. Dann wurden wiederum die kritisiert, die Engelmann kritisiert haben und so weiter und so weiter…

Buschmann und Diekmann

Weiteren Personen, denen ich aus unterschiedlichen Gründen sehr gerne folge, die aber nach wie vor oftmals angepimmelt werden: Frank Buschmann (TV-Kommentator) und Kai Diekmann (BILD-Chefredakteur). Ersterer kommt oft ins Kreuzfeuer, weil er für seine Facebook-Fans zu viel allgemein oder zu viel über die falschen Sportarten (alles andere außer Fußball ist doof!) berichtet. Das endet dann meist darin, dass er wieder die verbale Keule schwingen und zu mehr Vernunft aufrufen darf. Bei Kai Diekmann brauche ich nicht viel zu erklären, als BILD-Chef sind gefühlt eh immer alle gegen dich. Aber ich persönlich mag, wie er sich zumindest öffentlich verändert hat: vom geleckten Businesskasper hin zum bärtigen Silicon-Valley Hipster. Was ich außerdem mag, ist, wie er mit Kritik und Followern auf Twitter umgeht, da können noch etwas von lernen.

Ich bin auch doof

Und auch ich persönlich wurde auch schon angepimmelt, weil ich meinen Job bei Google an den Nagel gehängt habe. Da meldeten sich sogar der ein oder andere Chefredakteur eines führenden deutschen Online-Medien-Magazins zu Wort, der mir Naivität und fehlendes Durchhaltevermögen diagnostizierte (in Anbetracht der Tatsache, dass ich 20 Jahre jünger bin, halte ich das mit dem Durchhaltevermögen für eine Fehleinschätzung,). Spaß bei Seite: Ich finde Kritik gut und wichtig, aber die Art des Kritisierens ist oftmals einfach taktlos bzw. zu harsch. Wie meine Mutter so schön sagt: Der Ton macht die Musik. In diesem speziellen Fall sind die meisten von uns einfach schlechte Musiker.

Was ist nur los mit uns?

Weg von Lanz, ADAC, Engelmann und mir hin zur Hauptfrage: Was ist los mit uns? Sind wir einfach allgemein mehr gefrustet vom Leben oder aber geben uns soziale Netzwerke vereinfacht die Möglichkeit, so ein bisschen den inneren Querdenker rauszulassen und virtuell Steine zu werfen?

Allmählich kommt es mir auch vor, dass das ein großes deutsches Problem ist. Deshalb wundert es mich nicht, dass der Großteil der neuen, innovativen Startups alle samt aus nichtdeutsch sind, weil man meiner Meinung nach hierzulande viel zu früh auf „Neues“ eindrischt.

Mir ist bewusst, dass ich mit diesem Text auch gerade nörgele. Aber vielleicht regt er ja den ein oder anderen Leser zum nach- und vielleicht umdenken an. Diese dämliche SIWOTI (Someone Is Wrong On the Internet)-Attitüde und Korrekturgeilheit geht mir nämlich gehörig auf den Senkel, ganz egal ob auf Facebook, Twitter, Google+, Instagram, Snapchat, Whatsapp, Myspace, StudiVZ, WKW oder in den Kommentaren.

Alle mal einen Gang zurückschalten, bitte

Ich wünsche mir mehr Gelassenheit und mehr Rücksicht. Weiter so viel Ehrlichkeit, aber mit mehr Überlegung und oftmals einem netteren Umgangston. Dann wäre das Netz doch wirklich wieder ein verdammt schöner Ort.

P.S. Gerne könnt ihr die Kommentare zum Nörgeln nutzen. Ihr würdet damit über jemanden nörgeln, der darüber nörgelt, dass anderer über andere nörgeln. Oder so ähnlich.

Über den Autor

Philipp Steuer

Hey, ich heiße Philipp und Ich helfe Menschen und Firmen wie Red Bull, Disney oder McDonald’s neue digitale Trends und Innovationen zu verstehen und sie richtig für sich einzusetzen. Beruflich segele ich unter der Flagge des Kommunikations-Startups hypr aus Berlin. Buch mich für einen Vortrag, einen Workshop oder eine Beratung. Erfahre hier mehr über mich oder besuch mich auf Twitter I Youtube oder Facebook+.

5 Comments on “Die deutsche Meckerspirale: Mama, das Internet nervt”

  1. Lieber Philipp, super Artikel! Danke dafür. Kritik sollte immer angebracht sein, ob im Social Web oder in der Realität. Manchmal habe ich aber das Gefühl, die Menschen hören auf zu denken und laufen dem Mob hinterher. In diesem Sinne, die Mistgabel inkl. Fackel bekommen Sie am Ausgang! LG Sonja

  2. Boah, schon wieder ein Artikel über Nörgler von einem Autor der nörgelt 🙂
    Aber Spaß beiseite – volle Zustimmung!

    Ich sehe es auch von dieser Seite: solange Menschen noch nörgeln können, geht es ihnen gut. Und anscheinend haben sie sonst keine Probleme.

    Ein neues Verb habe ich auch von dir gelernt: „anpimmeln“. Merci dafür!

  3. Boah, chill mal 😉 nee, quatsch bei Seite! Super Artikel! Geht mir auch aufm Senkel, aber hey… wir sind doch in Deutschland! Willkommen im Land des „nee, geht nicht“… 😀 Aber ja… die 3 Totschlagargumente: „ja, dann geh doch, zwingt dich ja keiner!“, „du hast es dir ja so ausgesucht!“, „ja, das hättest du dir vorher überlegen müssen!“ ziehen immer noch, und werden immer öfters und in den tollsten Situationen angebracht. Also lieber Philipp: finde immer noch gut, dass die mein Bild von dir nutzt *eigenlob*, finde immer noch gut, dass du einfach tust, was du für richtig hälst, und finde es immer noch gut, dass du über die Nörgler nörgelst, die über andere nörgeln. Cheers!

  4. Pingback: Lesenswerte Links – Kalenderwoche 5 in 2014 > Vermischtes > Lesenswerte Links 2014

  5. Wie immer guter Artikel! Einzig der ADAC-Teil gefällt mir nicht. Die Fehltritte des ADAC mit der Notwendigkeit des ADAC zu rechtfertigen finde ich ziemlich affig. Der ADAC hat sich einen Fehltritt geleistet und muss nun die Kritik – auch hier im Internet – ertragen.

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